Die Grenzen zwischen Produkt und Dienstleistung verschwimmen.
Im B2B Geschäft sollte jedes Produkt von einer Dienstleistung begleitet werden, um Alleinstellungsmerkmale zu erreichen. Auch reine Dienstleister wie Entwicklungsfirmen oder Beratungsunternehmen können sich nicht auf die weichen Faktoren in der Vermarktung ihrer Leistung verlassen. Sie brauchen ein handfestes, beispielgebendes Beratungsprodukt oder müssen Prototypen darstellen, um das Know-How und die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation unter Beweis zu stellen.
Die Frage „welches Produkt bieten wir zukünftig an?“, verzahnt sich damit immer stärker mit der Frage, „auf welchem Geschäftsmodell sollen unsere Einnahmen beruhen?“. Das aktuelle Geschäftsmodell wird damit implizit hinterfragt. Leider haben zu wenige Unternehmen den Mut, sich dieser Frage offen zu stellen. Gerade dort liegt der „call-to-action“ für die Geschäftsführung.
In der „guten alten Zeit“ reichte es, wenn Zulieferunternehmen, Maschinen- und Anlagenbauer oder Dienstleister auf zusätzliches Ersatzteil- und Servicegeschäft setzten, um dem ruinösen Wettbewerb im Anlagengeschäft und in der Erstausrüstung einen ertragreichen Aftersales oder Servicebereich an die Seite zu stellen. Mit der sich ergebenden Mischkalkulation konnte man in der Regel leben.
Diese Zeit ist vorbei. In der digitalen Ära nutzen auch B2B-Kunden zunehmend die Möglichkeiten der Bestpreise durch wechselnde Anbieter aus, oder kalkulieren von Beginn an mit lifetime cost Modellen. Sobald sich die Diskussion mit den Kunden auf den Preis als wesentliches Element verlagert, verengt sich die Sichtweise und verhärten sich die Fronten. Selbstverständlich versuchen Entwicklungsabteilungen technische Vorteile ins Feld zu führen, die sich im Preis manifestieren lassen. Doch die Lastenhefte lassen immer weniger Spielraum, und wesentliche Elemente des Produkts oder der Dienstleistung sind im Vorfeld, lange bevor die Preisdiskussion beginnt, bereits durch den Kunden festgelegt. Auch die Maßnahme „wir entwickeln mal schnell ein Feature das der Vertrieb mit höherer Marge verkaufen kann“, ist im Zeitalter der Daten zum Aussterben verurteilt.
Den Nachteil dieser Situation tragen sowohl der Lieferant oder Dienstleister, als auch der Kunde! Warum? Weil sie überwiegend auf eine veraltete Art und Weise der Zusammenarbeit setzen. Das klassische Schema Kunde – Lieferant wird zum Auslaufmodell. Längst haben sich die Grenzen auch hier aufgelöst. Autohersteller kaufen Komponenten und ganze Antriebe bei ihren Wettbewerbern. Private Nischenanbieter werden von Großkonzernen umworben und entwickeln ihnen neue Modelle. Ein E-Auto Konzern kauft einen deutschen Automatisierer, und lässt ihn im nächsten Schritt Patente und Anlagen zur Herstellung von Impfstoffen entwickeln. Was ist passiert? Es werden von den neuen Erfolgsunternehmen ganz andere Fragen gestellt, während die Traditionskonzerne noch die Antworten auf die alten Fragen suchen.
Wie konnte das passieren?
Es ist eine Geschichte der Überheblichkeit aufgrund vergangener Marktmacht. Vor weniger als 20 Jahren, als die Mehrheit der Unternehmen noch an die Unendlichkeit des Wachstums und die reuelose Nutzung aller vorhandenen Ressourcen glaubten, waren große B2B-Kunden der Meinung, ihre Entwicklungs- und Einkaufssysteme so weit optimiert zu haben, dass sie selbst darüber entscheiden konnten, wie viel Gewinn sie ihren Lieferanten noch zugestehen wollten. Jedenfalls sollte die Gewinnmarge von Lieferanten nicht wesentlich über den publizierten Margen ihrer Konzerne liegen. Das System das dahinter steckt, ist so ausgeklügelt, dass Hersteller es geradezu in Kauf nehmen, einen Prozentsatz von Zombie-Lieferanten zu erzeugen. Geht ein Zombie-Lieferant unter, kümmern sich die Insolvenz-Spezialisten des Konzerns um die Kosten und die Verlagerung seines Geschäfts. Die Logik: das auf Kante genähte Zuliefersystem mit einer kalkulierten Ausfallwahrscheinlichkeit ist gesamtwirtschaftlich für den Konzern kostengünstiger, als höhere Gewinne für alle Lieferanten zuzulassen. Auslese nach Darwin belebt das Geschäft, die Evolution der Lieferanten wird nur die stärksten überleben lassen. Das klingt plausibel und ist bis heute vielfach geübte Praxis. Doch die tektonischen Platten verlagern sich, und diese Situation wird in einigen Industriezweigen sehr bald vorbei sein.
Wie verändert sich der Wettbewerb um die besten Produkte?
Die Trennlinien und Grabenkämpfe verlaufen zukünftig nicht mehr überwiegend zwischen Herstellern, um dann an die Kette der Zulieferer mit immer ruinöserem Wettbewerb nach unten durchgereicht zu werden. An die Stelle des Wettbewerbs zwischen Herstellern tritt der Wettbewerb zwischen den leistungsfähigsten geschäftlichen Ökosystemen, oder Business Ecosystems. Ein Business Ökosystem ist ein breites Netzwerk von Firmen und Organisationen, die Einfluss nehmen können auf die Art und Weise, wie ein Unternehmen Werte schafft und erfasst. Ziel ist die Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung. Unternehmen, die ein eigenes Business Ecosystem erschaffen, zeichnen sich durch außergewöhnlichen Erfolg aus, der auf die gemeinsame partnerschaftliche Wertschöpfung in Unternehmensnetzwerken gerichtet ist. Der Erfolg entsteht durch Ko-Kreation von Produkten, Kooperationen zwischen Spezialisten, Systemverständnis über die Grenzen eines Produkts hinaus, bis zur Auswirkung der Produkts und seiner Dienstleistungen auf Mitarbeitende und die Gesellschaft. Die Konzeption zur Schaffung eines Business Ecosystems entsteht aus
(1) der Vision und einem realistischen Businessplan für ein bahnbrechendes neues Produkt oder Dienstleistung. Für die Einschätzung was als bahnbrechend gilt verwendet Google / Alphabet seit jeher den Faktor 10 mal besser, was für Digitalkonzerne gelten mag. Andere Industrien backen hier eher kleinere Brötchen.
(2) der geschlossenen Betrachtung des gesamten Käuferzyklus von der Idee und Kreation des Wunsches nach einem Produkt, bis zur Rückführung des ausgedienten Produkts in einen geschlossenen Kreislauf, mit dem geringstmöglichen Ressourcenverbrauch über den gesamten Zyklus und der Beachtung ethischer Standards.
(3) dem Verständnis aller an diesem Käuferzyklus beteiligten benachbarten Leistungen, und der Entscheidung welche davon man selbst verbessern möchte, um dem Käufer einen optimalen Mehrwert zu liefern.
(4) der Entscheidung welche Kernelelemente des Käuferwunsches im Kernunternehmen erzeugt werden sollen, und für welche Teile der Wertschöpfung Netzwerkspartner im Ökosystem besser positioniert sind, um den Wert des Produkts mit den geringstmöglichen Ressourcen zu erhöhen.
(5) der Findung der richtigen Ökosystempartner und ihrer Einbindung in das Ökosystem zum Nutzen aller anderen Partner auf Augenhöhe und mit partnerschaftlichen Verträgen im Sinne eines gesteigerten Gemeinnutzens innerhalb des Ökosystems.
(6) der Schaffung einer geeigneten Arbeitsplattform mit auf Wertmaximierung und Zeitminimierung gerichteten agilen Prozessen. Die Form der Plattform ist dem Zweck angepasst. Sie kann vom einfachen Vertragsmodell bis hin zur industrieweiten digitalen Standardplattform reichen.
(7) der Festlegung prozessualer Spielregeln für die Zusammenarbeit, die allen Partnern die Möglichkeit bieten, ihre Stärken im Ökosystem voll auszuspielen.
(8) Der Darstellung eines ersten Erfolgsprodukts aus der Zusammenarbeit, mit dem die Leistungsfähigkeit des Ökosystems objektiv bewiesen wird und neue Kunden und Partner angezogen werden.
Funktioniert das, und was ist das praktische Ergebnis eines solchen Aufwands?
Die Vorbilder für solche Business Ecosystems entstanden vor allem in Digitalkonzernen und Technologieunternehmen. In klassischen Branchen wie Auto- und Maschinenbauindustrie oder Metallverarbeitung wurde der Trend bis heute weithin nicht erkannt. Daher konnte auch der heute wertvollste Autohersteller der Welt seelenruhig – unter dem Schutzschirm des Belächelt-werdens und der Negierung seines Erfolgs durch Expertenkreise – eines der wertvollsten Business Ecosystems der Welt aufbauen. Seine Wettbewerber halfen ihm sogar dabei, indem sie Aktien und Komponenten von ihm kauften. Die Rede ist selbstverständlich von Tesla. Ob man nun Fan dieser Marke ist oder nicht, spielt keine Rolle (dazwischen klaffen weltanschauliche Gräben so tief wie der Marianengraben im Atlantik). Alle oben beschriebenen Elemente einer Business Ecosystem Konzeption wurden mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks und angetrieben durch die Hingabe eines Vollblut-Unternehmers umgesetzt. Die Geschichte ließe sich beliebig auf Space X und andere Vorhaben desselben Unternehmers ausdehnen.
Was bedeutet das für Mittelständler, die selbst kein großes Business Ecosystem wie ein Digital- oder Technologiekonzern aufbauen können?
Die Antwort erhalten wir wenn wir der Frage nachgehen: „Was ist mein Produkt heute – wie kann es zukünftig aussehen – und welche veränderte Rolle kann damit mein Unternehmen in der Welt der Business Ecosystems spielen“. Denn die gesamten Spielregeln ändern sich mit rasanter Geschwindigkeit. Es gilt die beste zukünftige Rolle des Unternehmens zu definieren, und die richtigen Partner zu finden. Ein Business Ecosystem ist zwar prädestiniert um komplexe Produkte für Endkunden zu erstellen, wie Smartphones, Telekommunikationsanlagen oder Autos. Aber auch KMU Unternehmen profitieren davon entweder als Partner, oder indem sie die Idee auf ihre Belange im B2B Bereich zuschneiden. Das funktioniert unabhängig von der Unternehmensgröße, wie ich selbst in einem Start-up mit nur wenigen Mitarbeitern erleben konnte.
Wie kann sich die Produktentwicklung auf diese Fragen einstellen?
Am besten nicht isoliert. Die klassische Produktentwicklung ist mit der Beantwortung dieser Frage genauso überfordert wie der Vertrieb oder die Geschäftsführung. Am ehesten noch lässt sich die Voruntersuchung zu dieser Frage durch einen erfahrenen Business Development Experten durchführen, sofern es diesen im Unternehmen gibt. Die Beantwortung aber kann nur gemeinsam im cross-funktionalen Team oder noch besser im Netzwerk mit wichtigen Partnern erfolgen. Ein solches Team sollte von einem Coach mit Business Development Erfahrung oder in der agilen Welt von einem Scrum Master oder Agile Coach begleitet werden.
Mit Ihnen gemeinsam den langfristigen Erfolg Ihres Unternehmens zu ermöglichen ist meine Berufung. Was Ihre spezifischen Anforderungen und Ziele sind, und welche Veränderungen dabei erreicht werden können, diskutiere ich gerne mit Ihnen in einem persönlichen Gespräch.
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